- „Wieso "basteln" Vegetarier und Veganer sich Fleischprodukte nach? Das ist doch inkonsequent."
- „Ich forme mir doch auch keine Tomate aus Hack.“
Das Internet ist voll von solchen mehr oder minder ernstgemeinten Fragen und Aussagen, und auch in meinem Umfeld kommt immer mal wieder Irritation, Skepsis oder Kopfschütteln auf:
Wieso findet man in den Kühlregalen der Einkaufsläden vegane oder vegetarische Fertigprodukte, die optisch und geschmacklich einem Fleischprodukt nachempfunden wurden und auch noch als Steak, Wurst und Nuggets im Einkaufswagen landen?
Zuerst einmal sollte man feststellen, dass Fleischersatz eher selten konsumiert wird. Immerhin sind die vegetarischen sowie veganen Ernährungsformen ausreichend vielfältig und abwechslungsreich, sodass nichts in dem Sinne ersetzt werden muss.
Eine im Jahr 2015 geführte Umfrage des Internetportals vegan.eu unter mehr als 1000 vegan lebenden Menschen zeigt, dass 68,6% der Befragten weniger denn einmal wöchentlich zu derartigen Produkten greifen. Somit kann man eine gute Parallele zu den Essgewohnheiten eines durchschnittlichen Mischköstlers ziehen, welcher laut einer aktuellen Umfrage laut Statistik-Portal statista.com ebenfalls seltener (45,7%) als einmal wöchentlich Fertigprodukte verspeist. Wer sich täglich von Tofuwürstchen und Seitanschnitzel ernährt, der darf sich über Mangelerscheinungen ebenso wenig wundern wie ein Mensch, der ausschließlich Fleisch konsumiert.
Wieso aber die Imitation von Fleischgerichten?
Die wenigsten Veganer und Vegetarier haben sich aufgrund des nicht amsprechenden Geschmacks tierischer Produkte für die Ernährungsumstellung entschieden, sondern nennen die ethischen und ökologischen Aspekte als Hauptmotive.
(Quelle: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0195666316302677)
Demnach hat der durchschnittliche Vermeider von Fleischprodukten an deren Geschmack wenig auszusetzen, wohl aber an den Hintergründen, die unweigerlich mit der Erzeugung verbunden sind.
Alternativen wie Lupine, Seitan oder Tofu bieten hier eine gute Möglichkeit, tierleidfreie Produkte zu schlemmen, die oftmals kaum noch von den tierischen Vorlagen zu unterscheiden sind. Schon gewusst? Tofu ist im Grunde kein „Ersatz“, denn er wurde bereits vor mehr als 2000 Jahren geschichtlich erwähnt. Bei uns erst seit Mitte der 80er-Jahre bekannt, ist er seit rund 500 Jahren von großer Bedeutung in der ostasiatischen Ernährung. Auch Tempeh, Lupine und Seitan blicken auf eine sehr lange Tradition zurück.
Schmeckt etwas „wie Fleisch“, so liegt dies in der Regel an der Würzung und Röstung. Fleisch ist in der Küche kein Geschmacksgeber, sondern die weiße Leinwand, welche die Vielfalt der Geschmäcker während der Zubereitung annimmt. Ähnlich verhält es sich beispielsweise auch mit Tofu. Dieser kommt meutral im Geschmack daher und wird erst durch eine ordentliche Dosis an Gewürzen sowie durch die Entfaltung der Röstaromen bei Erhitzung schmackhaft.
Ein weiterer Aspekt ist, dass die Nahrungsaufnahme mit unserem Schatz an emotionalen Erinnerungen verknüpft ist. So verbinden wir unterbewusst Sinneseindrücke mit persönlichen Erinnerungen und Erfahrungswerten, sodass uns beispielsweise der Geruch oder Geschmack von Gänsebraten an das Weihnachtsfest im Kreise unserer Liebsten erinnert und Gefühle wie Geborgenheit und Wärme aufkommen lässt. Sehnt man sich als Vegetarier oder Veganer danach, so greift man automatisch zu einem Produkt, welches dem aus seinen Erinnerungen am meisten ähnelt.
Wieso denn nicht andere Formen?
Ganz einfach: Weil sich die Formen durch ihren praktischen Nutzwert seit vielen Jahren bewähren.
Würstchen sowie andere Bratstücke lassen sich so auf dem Grill oder in der Pfanne optimal wenden und gleichmäßig bräunen sowie erhitzen, wohingegen Aufschnitte sich durch die dünne Scheibenform bestens als Brotbelag eignen. Und machen wir uns nichts vor: Kuh und Schwein kommen schließlich auch nicht in der Form eines Steaks auf die Welt.
Fazit
Pflanzliche Produkte, die in Optik und Geschmack eine Ähnlichkeit mit Fleischprodukten aufweisen, können die Ernährungsumstellung erleichtern. Auch stellen sie eine abwechselnde Ergänzung für Vegetarier und Veganer dar, die aus rein ethischen Aspekten den Konsum tierischer Produkte ablehnen oder für Menschen, welche diesen reduzieren wollen.
Beim Kauf von Lebensmitteln ist es ohnehin allgemein ratsam, die Zutatenlisten aufmerksam zu studieren und auf Produkte zurückzugreifen, die ohne beigefügte künstliche Aromen, Stabilisatoren sowie Geschmacksverstärker auskommen.
Fest steht jedenfalls, dass durch den Verzicht auf Fleisch ein wichtiger Beitrag zum Schutz von Umwelt, Tieren und Klima geleistet werden kann. Umso schöner ist es doch, wenn dabei nicht auf den guten Geschmack verzichtet werden muss.
Autorin: Marie-Lena Nelle
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